Afghanistan ist weitgehend aus den Medien verschwunden, aber im Land herrscht weiter eine der schlimmsten humanitären Katastrophen weltweit. Zwei Drittel der Bevölkerung sind von Ernährungsunsicherheit betroffen, darunter 875.000 Kinder, die von akuter Unterernährung betroffen sind. Frauen und Mädchen sind nach wie vor am stärksten gefährdet.
Die anhaltende Krise hat den Vereinten Nationen in Afghanistan zwei lebenswichtige, aber scheinbar unvereinbare Aufgaben auferlegt: die Versorgung der Bedürftigsten mit Hilfsgütern aufrechtzuerhalten und gleichzeitig den Druck auf die Taliban aufrechtzuerhalten, damit sie ihre entsetzlichen Menschenrechtsverletzungen beenden.
Der abrupte Verlust eines Großteils der internationalen Hilfe nach der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 löste die anfängliche Krise aus. Aber die zunehmend repressive Politik der Taliban, die beispielsweise Frauen die Arbeit für die UN und Nichtregierungsorganisationen verbietet, hat die Lage weitaus verschlimmert. Nun müssen humanitäre Organisationen versuchen, wichtige Hilfe zu leisten und gleichzeitig sicherzustellen, dass sie die missbräuchlichen Anordnungen der Taliban nicht noch verstärken. Das lässt kaum mit Hashtag-Kampagnen vermitteln. Für die Helfer, die versuchen, sowohl dem humanitären Gebot der Lebensrettung als auch den Grundsätzen der Neutralität und Unparteilichkeit gerecht zu werden, sind es schwierige Zeiten.
Humanitäre Organisationen in Afghanistan sind seit langem auf ein gewisses Maß an Flexibilität und Handlungsspielraum angewiesen, um dringende Hilfsmaßnahmen aufrechtzuerhalten - ob beim Aushandeln von Zugang über die Frontlinien hinaus, beim Betrieb von Mädchenschulen in den 1990er Jahren oder beim Umgang mit den derzeitigen inoffiziellen Ausnahmeregelungen, damit Frauen in den Bereichen Gesundheit, Ernährung und Bildung arbeiten dürfen.
Zuletzt hatten UN-Erklärungen jedoch für Verwirrung gesorgt und für Vorwürfe der Inkohärenz zwischen UN-Organisationen. Einige hatten männlichen Mitarbeitern erlaubt, weiterzuarbeiten, Frauen hingegen nicht. Auch wenn die Notwendigkeit lokaler Flexibilität anerkannt wird, ist es wichtig, dass die Leiter wichtiger Organisationen wie des Welternährungsprogramms und von UNICEF eine klare und konsequente Haltung einnehmen, dass das Vorgehen der Taliban gegen internationale Menschenrechte und die UN-Charta verstößt.
Bei einem kürzlichen Treffen der UN-Sondergesandten in Doha wurde Berichten zufolge vereinbart, die Arbeit ohne Anerkennung der Taliban fortzusetzen, bis Fortschritte bei den Menschenrechten erzielt werden. Während einige Gruppen der afghanischen Zivilgesellschaft jegliche Zusammenarbeit ablehnen, halten andere sie für notwendig, um die Wirtschaftskrise zu lindern.
All das wird jedoch wenig Auswirkungen haben, solange die finanziellen Mittel für humanitäre Hilfe nicht ebenfalls ausgeweitet werden. Ein drastischer Rückgang von Hilfen wird viele in Afghanistan ärmer und hungriger machen.