Beginnen wir mit einem moralisch eindeutigen Statement, dem wir alle zustimmen können: Sklaverei ist falsch.
Eine besonders schreckliche Form der Sklaverei war die sogenannte „Chattel-Sklaverei“ in den USA, bei der versklavte Menschen ihr Leben lang wie Eigentum behandelt und wie Vieh gekauft und verkauft wurden. Für Millionen von afroamerikanischen Menschen bedeutete dies jahrhundertelange Zwangsarbeit, Vergewaltigung und Folter.
Das ist nicht mehr als eine Feststellung des Offensichtlichen. Diese Aussage ist wohl kaum kontrovers.
Es sei denn, man ist an einer öffentlichen Schule im US-Bundesstaat Florida, denn dort könnte man für den Unterricht über das Thema Sklaverei Probleme mit den Behörden bekommen.
Wie Dr. Marvin Dunn, ein Pädagoge aus Miami, sagt, erlaubt das Gesetz in Florida den Schulen, das Thema Sklaverei zu behandeln, „aber nicht die schlechten Seiten.“
Stattdessen verlangen die neuen Lehrpläne für den Geschichtsunterricht in Florida von den Lehrer*innen, absurde Dinge zu sagen. So sollen sie beispielsweise lehren, dass die versklavten Menschen wertvolle Fähigkeiten erwarben und die Sklaverei daher für die versklavten Afroamerikaner*innen auch von persönlichem Nutzen war.
Es ist, als würde jemand deinen rechten Arm brechen und dir dann sagen: Hey, dafür lernst du jetzt, deinen linken Arm besser zu benutzen, also solltest du mir eigentlich dankbar sein.
Selbstverständlich versucht die Zensur der Lehrpläne in Florida nicht nur, die Geschichte der Sklaverei umzuschreiben. Sie verschweigt oder verzerrt auch andere kritische Aspekte der US-Geschichte nach rassistischen Gesichtspunkten: Lynchmorde, Rassentrennung und die Bürgerrechtsbewegung. Außerdem werden die kulturellen und wissenschaftlichen Beiträge von Afroamerikaner*innen heruntergespielt.
Florida ist wahrscheinlich das schlimmste Beispiel für Bildungszensur in den USA. Hier gibt es die meisten verbotenen Bücher und die strengsten Lehrplanbeschränkungen.
Aber Florida ist nicht allein. Wie ein neuer Bericht zeigt, gibt es eine US-weite Krise der Bildungszensur. Immer mehr Bundesstaaten verabschieden Gesetze, die Diskussionen über ethnische Zugehörigkeit (race), Geschlecht, sexuelle Orientierung oder US-Geschichte im Unterricht einschränken.
Das alles führt – neben der Förderung von Ignoranz – zu Angst. Der neue Bericht beschreibt Lehrkräfte, die Angst haben, die Wahrheit zu sagen, und Schüler*innen, die Angst vor möglichen Konsequenzen haben. Lehrer*innen berichten, dass sie wegen der Verletzung der neuen Gesetze und Richtlinien gemaßregelt werden, und es gibt Berichte über Lehrer*innen, gegen die ermittelt wird und die entlassen werden.
Schwarze Schüler*innen an Floridas öffentlichen Schulen fühlen sich entmutigt, unsichtbar und ungehört – genauso wie LGBTQ-Schüler*innen, die mit Floridas Gesetz „Don't Say Gay or Trans“ konfrontiert sind. Die Diskriminierung durch Informationsverweigerung entwertet manche Leben und Erfahrungen.
Zugleich werden damit andere aufgeputscht. Die Proud Boys, eine militante Gruppe weißer Rassisten, nehmen an Sitzungen der Schulbehörden in ganz Florida teil, tragen Kleidung voller gewalttätiger Botschaften und verbreiten hasserfüllte Bemerkungen. Damit sollen lokale Beamt*innen, Eltern und Schüler*innen eingeschüchtert werden.
Es ist offensichtlich, dass es bei dieser Zensur in Florida und in den USA im Allgemeinen nicht nur darum geht, die Vergangenheit des Landes zu verbergen, sondern auch darum, die Gegenwart und Zukunft neu zu gestalten. Es geht darum, Kinder mit einer Ideologie der Ignoranz zu indoktrinieren – um die weiße Überlegenheit von heute zu rechtfertigen, indem man sagt, dass die weiße Überlegenheit von gestern in Ordnung war. Es ist ein Lügenkonstrukt mit einer hässlichen politischen Motivation.
Der Grundschul- und Sekundarschulunterricht in den USA wird größtenteils von den Bundesstaaten und den örtlichen Behörden kontrolliert. Es ist jedoch klar, dass die US-Bundesregierung viel mehr tun muss, um gegen die Schulzensur vorzugehen, die Diskriminierung und Angst schürt.